Ein Kaleidoskop des Kosmos Kleist
Ein Kaleidoskop des Kosmos Kleist Das Buch des ungarischen Essayisten Földényi ist keine Monographie, eher eine compassionierte Kleist- Enzyklopädie. Es ist ein Quasi-Wörterbuch, ein Kaleidoskop psychologischer, literarischer, philosophischer Themen zum Werk und der Person Kleist. Das Buch besteht aus fast hundert Essays, in alphabetischer reihenfolge: kanpp hundert Wörtern Kleists-, fängt mit »Ach!« an und endet mit »Zufall« . Ein Labyrinth von Wörtern, man kann eintreten, wo man will und aufhören an beliebiger Stelle. Kleist gehörte für Nietzsche zu den großen Dichtern, die sein müssen, wie sie nun einmal sind: »Menschen des Augenblicks, sinnlich, absurd, fünffach, im Misstaruen und Vertrauen, leichtfertig undplötzlich; mit Seelen, an denen gewöhnlich irgendein Bruch verhehlt werden soll; oft mit ihren Werken Rache nehmend für die innere Besudelung, oft mit ihren Aufflügen Vergesenheit suchend vor einem allzutereuen Gedächtnis, Idealisten aus der Nähe des Sumpfes- welche Marter sind diese großen Künstler für den, der sie erraten hat...« Eichendorff sah 1809 Kleist nur kurz: »ein schöner ernster Mann« - er ist hoch leidenschaftlich ohne Pathos (im Gegensatz zu Schiller), dabei eher gegossen. Seine Prosa ist mit »gehämmerten Anschlag«, übermäßige Rhythmen, darin aber die Szenen stillster Durchblicke. Ähnlich van Gogh, die Situation in ihrer Dichte erlebt und beschworen, von der gefährlichsten Hochspannung, alles ist dicht vorm Feuerfangen. Kleist ist ein »poète maudit«. Beispiel einer Verweigerung, einer Härte. Er zerbrach sich selbst. Sein Hass gegen Napoleon wandte sich um und gegen sich selbst. Sein Trieb zum Tod ist eine verwachsene, revoltierte Liebe. Kleists Leben oder Gemütsleben als sein Drama. Seine Dramen nur wie das Fieber bei einer Krankheit,Fumarolen, Nebenkrater...
»Unübertroffen!«
Katja Petrowskaja, FAS, 20. November 2011