Alexander Schnickmanns »requiem« ist eine mitreißende, poetische Erzählung, die zur lustvollen Traumreise wird: Von einer Wohnung mit Blick auf den Teufelsberg fallen wir durch die Zeiten, schweben über Berge und Täler, fahren quer durch die Mark und die Meere. So kommen wir zu den Delfinen im Landwehrkanal und bis an den Santa Catalina Beach in Kalifornien – bevor sich an einem ganz unerwarteten Ort die Pforten der Unterwelt öffnen. Und hin und wieder blinzeln wir hinüber ins Paradies.

Ob es dort, im Paradies, Karaokebars gibt, ist mithin unbekannt, gäbe es allerdings welche, würde man sie mit Hans Thill durchstreifen wollen. 16 Evergreens der Lyrikgeschichte – von Gryphius bis Wordsworth, von Hölderlin bis Lasker-Schüler – hat Thill sich in »Karaoke 2« vorgenommen und singt sie nach. Wie das geht? Zeile für Zeile werden Texte der genannten Dichter und Dichterinnen zitiert, variiert, kommentiert, weitergesponnen, auseinandergenommen.

Hier prallen Welten aufeinander: Leonce-und-Lena-Preisträger Schnickmann und sein Debüt requiem treffen auf Thill, der gerade seinen 70. Geburstag gefeiert hat und mit »Karaoke 2« sein umfangreiches Werk um einen Band erweitert, hier epische Weite, dort 16 Momentaufnahmen. Und obwohl Totenmesse und Singspiel scheinbar unterschiedlicher nicht sein könnten, werden wir sehen: Für Witz und kluge, poetische Reflexion gibt es in beiden Bänden Platz.

Alexander Schnickmann, geboren 1994 in Lünen, aufgewachsen in Bergkamen im Ruhrgebiet, schreibt über Pflanzen und Tiere, Maschinen und Gespenster und wurde 2023 mit dem Leonce-und-Lena-Preis ausgezeichnet. Veröffentlichungen in Zeitungen, Zeitschriften und Sammelbänden. »requiem« ist Alexander Schnickmanns Debüt.

Hans Thill, geboren 1954 in Baden-Baden, lebt seit 1974 in Heidelberg. Der Herausgeber, Lyriker und Übersetzer erhielt für seine Veröffentlichungen zahlreiche Preise, darunter den Peter-Huchel-Preis. Er ist Mitgleid des PEN-Zentrums Deutschland.