Radikal, formstark und ungemein zärtlich nähert sich sgl in ihrem Romandebüt den Leerstellen der eigenen Familienbiografie
Wie schnell manche Leben vergessen werden, und wie viele Generationen sie dennoch in den Körpern derjenigen eingeschrieben bleiben, die nach ihnen kommen, spürt Mädchen am eigenen Leib. Sie merkt es an den Blicken, die sie streifen, an Bruder, der die Muttersprache nicht akzentfrei spricht, an den Büchern, in denen sie vergebens nach ihr gleichenden Figuren sucht. Aber alle Vergleiche müssen zwangsläufig scheitern, fehlt Mädchen doch bis auf wenige fragmentarische Erinnerungen das Wissen über ihre Ahnen, die weder in der offiziellen noch der familiären Geschichtsschreibung vorkommen. Aus losen Fäden, Vergangenheitsbruchstücken und Mythen beginnt daher das Alter Ego der Autorin, sich den eigenen Stammbaum mit einer der Wirklichkeit in nichts nachstehenden Radikalität zu gestalten. Seine weit verzweigten, vielblättrigen Äste reichen von der Cape-Coloured-Community in Südafrika über den Atlantik bis ins Deutschland der Gegenwart und räumen erstmals auch jenen einen Platz ein, denen eine Geschichte und Stimme bisher verweigert wurden. Gemeinsam mit Mädchen stellen sie in Simoné Goldschmidt-Lechners Debütroman Messer, Zungen nun laut die Frage nach Herkunft und »Heimat« und danach, welche Geschichten es braucht, um dem Vergessen zu entrinnen.
»Für ihren Kampf wetzt SGL [...] die Waffe der Sprache selbst, also das Messer, das die Zunge ist. Sie tut es mit Selbstbewusstsein, Sicherheit und Konsequenz und spiegelt dabei eine zur Erinnerung endlich genötigte und jetzt um ihre Sprache ringende Gesellschaft.«
– Hans von Trotha, Deutschlandfunk Kultur
»In ihrem Debüt ›Messer, Zungen‹ schreibt [Goldschmidt-Lechner] gegen die kursierenden Vorstellungen über Südafrika an. Es ist ein poetisches Projekt mit einer ambitionierten politischen Agenda.«
– Michael Wolf, taz
»Der Roman [...] ist nicht trotz, sondern wegen seiner besonderen, verwirrenden Form ein Gewinn. Die vielen lose gereihten und ausdrucksstarken Bilder muten beim Lesen fast wie ein Traum an. Aus den vielen Stimmen ergibt sich am Schluss ein beeindruckendes Mosaikbild einer Gemeinschaft – und nichts weniger als ein neuer Blick auf Südafrika.«
– Simon Leuthold, SRF2 Kultur
»Der Roman beschreitet neues erzählerisches Terrain, ist experimentell, dekonstruiert das Erzählen und entfernt damit auch Indentifikationspotenziale mit einzelnen Personen der Handlung. Wer gerade so etwas sucht, wird hier glücklich, denn es ist ein gelungenes Experiment, das mit dem Fortschreiben kolonialer Strukturen und Traumata in globalisierten Familienstrukturen ein höchstaktuelles Thema behandelt.«
– Stefan Diezmann, Poesierausch
»Ihr Roman ist ein poetisches, vielschichtiges Werk, das der Perspektive, jener die bisher selten gehört wurden, Beachtung schenkt.«
– Isabella Caldart, Missy Magazin
- Di10.Dez2024Lesung und GesprächDienstag 10.12.2024, 19:30 Uhr, lcb – Literarisches Colloquium Berlin, Berlin
Simoné Goldschmidt-Lechner stellt ihr Buch »Ich kann dich noch sehen (an diesen Tagen)« vor
mehrSimoné Goldschmidt-Lechner, Christiane Frohmann und Ralph Tharayil im Gespräch mit Maha El Hissy im Rahmen der Literaturreihe »Vorzeichen« des Literarischen Colloquium Berlins