»Mein Gott!«: Ohne besonders aufzufallen, findet sich dieser Ausruf im gängigen Wortschatz von Gläubigen, ebenso wie von Agnostikern und Atheisten. Doch was bringt dieses gewohnheitsmäßige Adressieren einer höchsten Macht, der sich im Alltag die wenigsten unterwerfen, mit sich? An wen wendet man sich, wenn man »Mein Gott!« ausruft? Denken wir dabei überhaupt an Gott? Denken wir überhaupt an irgendjemanden? In seiner feinen, von Meister Eckhart inspirierten Meditation umkreist Jean-Luc Nancy das Adressaten und Anrufungsverhältnis von Mensch und höchstem Wesen, in dem sich der Mensch stets zur Möglichkeit Gottes macht und sich so gleichermaßen von ihm löst. So verliert »Mein Gott« all seine Charakteristika eines Wesens, Konzepts oder Seins und wird zu etwas Unnennbarem, das im Erstaunen oder im Schaudern, bei einer Bewunderung oder einer Bedrückung doch immer wieder angepeilt wird. Gott mag tot sein, doch in dieser Anrufung bleibt eine Denkunterbrechung aufbewahrt, in der unsere intimste und ärmste Wahrheit noch einen Platz findet.
Buch
ISBN: 978-3-7518-0500-1 9783751805001
Verlag: Matthes & Seitz Berlin
Veröffentlicht: 2021
Reihe: Fröhliche Wissenschaft Bd. 183
Originaltitel: Mon Dieu ! (Französisch)
Schlagworte: Atheismus, Theologie, Unglaube, Meister Eckart, Mystik, Protestantismus, Französische Philosophie, Religionskritik, Metaphysik, Glaubenskrise
»Es ist ein kurzer Text, der es in sich hat. Es lohnt sich, ihm geduldig auf der Spur zu bleiben. Nancy ist bei aller Verspieltheit in der Sache präzise. Sein virtuoser Text eröffnet auch ohne Vorkenntnisse zu Hegel oder Heidegger eine ermutigende Einladung, die christliche Tradition gegen sich selbst zu lesen und darin ihren Sinn neu zu entdecken.«
– Friederike Rass, bref