Was wir heute Wachstum nennen, ist in Wirklichkeit ein Auswuchs, eine karzinomatöse Wucherung, die den gesellschaftlichen Organismus zerstört. Mit einer unerklärlichen, tödlichen Vitalität metastasieren und wuchern diese Auswüchse endlos weiter. Ab einem bestimmten Punkt ist die Produktion nicht mehr produktiv, sondern destruktiv. Der Kapitalismus hat schon längst diesen kritischen Punkt überschritten. Seine Destruktivkräfte bringen nicht nur ökologische oder soziale, sondern auch mentale Katastrophen hervor. Die verheerenden Auswirkungen des Kapitalimus legen die Annahme eines Todestriebes nahe. Nachdem Sigmund Freud den Todestrieb zunächst nur zögerlich eingeführt hat, bekennt er, dass er »nicht anders denken könne«, weil die Idee des Todestriebs über ihn eine solche Macht gewonnen habe. Auch das Denken über den Kapitalismus scheint inzwischen ohne die Annahme des Todestriebs nicht möglich zu sein.
Buch
ISBN: 978-3-95757-830-3 9783957578303
Verlag: Matthes & Seitz Berlin
Auflage: 3
Veröffentlicht: 2019
Reihe: Fröhliche Wissenschaft Bd. 155
Schlagworte: Müdigkeitsgesellschaft, Neoliberalismus, Kulturkritik, Philosophie, Destruktivismus
»Byung-Chul Hans „Kapitalismus und Todestrieb“ ist ein überaus empfehlenswertes Buch für alle, die die psychopolitischen Machtmechanismen des Neoliberalismus im digitalen Zeitalter philosophisch reflektieren möchten.«
– Marcel Remme, lehrerbibliothek