Eine literarische Spurensuche im Herzen Ost-Berlins
Als die kommunistischen Eltern der Erzählerin nach Kriegsende aus der englischen Emigration nach Deutschland zurückkehren, ziehen sie schon bald mit ihren Kindern in das beeindruckende Gebäude am heutigen Strausberger Platz. Durch die Augen des Mädchens begegnen wir ihren Nachbarn Hermann und Irene Henselmann, Robert und Karin Havemann, den Schriftstellern Alex Wedding, F. C. Weiskopf und Bodo Uhse. Sie alle verbindet der Glaube an ein anderes Deutschland. Doch auch Gleichaltrige lernt das Mädchen kennen. Etwa den Nachbarsjungen, dessen Eltern nach dem Krieg in die Sowjetunion verschleppt wurden und dessen Mutter später in den Westen flüchten wird. Oder ihre Schulfreundin Gilda, die in einem alten Mietshaus hinter der Stalinallee wie in einem anderen Kosmos aufwächst, und die verwaiste Zsuzsa, die nach dem Volksaufstand 1956 aus Ungarn nach Berlin verpflanzt wurde und zu Besuch ins Haus des Kindes kommt. Nach wenigen Jahren fallen die ersten Kacheln von der Fassade auf die Straße, und auch zwischen den Bewohern zeigen sich deutliche Risse. Die Protagonistin erlebt den Widerspruch zwischen ihrer privilegierten Situation und der Außenwelt, zwischen der Stalinallee und ihren Seitenstraßen, deren Lebenswirklichkeit zu den Erwachsenen in ihrer Umgebung oft nur schwer vorzudringen scheint. Zu sehr wird deren Gegenwart von ihrer eigenen Verfolgungsgeschichte und einer idealisierten Zukunftsvorstellung voller Täuschung und Selbsttäuschung bestimmt. Die Erzählerin muss sich – so als lebte sie in einer Scheinwelt – der Realität immer wieder aufs Neue versichern: Was ist wirklich, was eingebildet, und warum muss ständig etwas verschwiegen werden?
Helga Kurzchalia hat mit »Haus des Kindes« eine literarische Spurensuche geschaffen, die dokumentarische Genauigkeit mit erzählerischer Originalität verbindet.
»Helga Kurzchalia wurde 1948 in Berlin als Tochter zweier Westemigranten geboren […]. Das Mädchen lebte im Haus des Kindes umgeben von interessanten Leuten mit schier unglaublichen Biografien. Die nunmehr über 70-Jährige hat ihre Erinnerungen aufgeschrieben in dem Buch ›Haus des Kindes‹. Herausgekommen ist eine fesselnde Milieuskizze.«
– Maritta Tkalec, Berliner Zeitung
»Anschaulich, mit Wärme aber ohne falsche Nostalgie erzählt Helga Kurzchalia von den Bewohnern im ›Haus des Kindes‹. [...] [Sie] erzählt nicht nur die Geschichte ihres Hauses, sondern die des ganzen Viertels, das längst nicht nur aus Vorzeigebauten besteht.«
– Bettina Baltschev, MDR
»›Haus des Kindes‹ ist ein Buch der Erinnerungsfragmente. Aus ihnen setzt sich ein Mosaik zusammen, das kein einheitliches Bild ergibt. […] Kurzchalias Buch ist eine Annäherung aus Kinderperspektive und das Porträt einer Epoche, die in ihrer Mischung aus architektonisch zur Schau gestelltem Aufbruch und düsteren Kriegsruinen auf der Rückseite der Stalinallee etwas Unheimliches hat.«
– Christoph Schröder, SWR2
»Der Charme dieser biografischen Geschichten aus dem gehobenen Ost-Milieu liegt im kindlichen, die Wahrheit wortlos erfassenden Blick – der eben schon damals erkannte, wo sich Lügen und Schweigen einstellten, wo der Glaube an das System von der Realität schnell zerfressen wurde [...].«
– Wolf Ebersberger, Nürnberger Zeitung
»In ihrem Buch »Haus des Kindes« [fügt Kurzchalia] damalige Bruchstücke zu einem konzisen Erinnerungskaleidoskop zusammen[], in kurzen, lakonischen Sätzen, bei denen kein Wort zu viel ist.«
– Marko Martin, Jüdische Allgemeine
»[E]s gelingt der Autorin spielend, viel von der Atmosphäre und dem Lebensgefühl, von den Hoffnungen, Verdrängungen und ersten Zweifeln der Menschen in und an der jungen DDR (Mitte der 1950er-Jahre bis 1965) nachvollziehbar zu machen.«
– Birgit Braun, ekz-Bibliotheksservice