Der Doppelband der »Gesammelten Werke« Gerhard Rühms (Bde 4.1. und 4.2.) widmet sich dessen visuellen Arbeiten in zyklischer Form. Rühms innovative Leistung auf diesem Gebiet zeigt sich in mannigfaltigen Kombinationen unterschiedlicher Codes wie Schrift, Bild und Musiknotation. Neben »poetischen Texten« im erweiterten Sinn (Schreibmaschinenideogramme) und rein bildnerischen Werken (Zeichnungen, Fotomontagen, Scherenschnitte) enthalten die beiden Bände auch verschiedenartige Konstellationen von Bildsegmenten und – erfundenen wie gefundenen – Textpassagen (Text-Foto-Montagen), von Fotos und Notenzitaten (Foto-Noten- Montagen), von Text und Grafik oder Foto und Zeichnung. Das in den beiden Teilbänden versammelte, herkömmliche Gattungsgrenzen sprengende Zyklen-Werk wird erstmals in annähernd vollständiger Synopse gezeigt, wodurch Entwicklungslinien von den 1950er Jahren bis heute sichtbar werden. Als Konstante aller poetisch- oder musikalisch-visueller Serien erweist sich deren ästhetische Konsequenz und medienreflexive Avanciertheit. Rühms visuelle Zyklen sind der sinnliche Ausdruck zeichen- und wahrnehmungstheoretischer Forschung ebenso wie Reflex kritischer Zeitanalyse, und sie verbinden – das ist gleichsam ein Markenzeichen des Mehrspartenkünstlers Gerhard Rühm – verblüffende formale Stringenz mit einem unverwechselbar »coolen« Humor.
Buch
ISBN: 978-3-95757-929-4 9783957579294
Verlag: Matthes & Seitz Berlin
Veröffentlicht: 2020
Schlagworte: Wiener Gruppe, Lautpoesie, Lautgedichte, visuelle Musik, Avantgarde, österreichische Literatur, Lyrik, experimentelle Literatur, visuelle Poesie, Oswald Wiener, Konrad Bayer, Kurt Schwitters, August Stramm, Paul Scheerbart