Die Entdeckung der Entropie im Spiegel der Literatur.
In dieser so aufregenden wie ungewöhnlichen Studie beschreibt Kevin Vennemann die entstehende Moderne als Prozess der stetig zunehmenden Ungeordnetheit. Am Beispiel von Thomas Manns Buddenbrooks zeichnet er ein Bild jener Zeit, in der sich der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik zum alles bestimmenden Faktor entwickelt: Dem entropischen Unordnungstrieb unterliegen sowohl die Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Familie Buddenbrook als auch die Geschicke des Familiengeschäfts und die gesellschaftlichen Entwicklungen nach 1848. In einer sich rasant verändernden Zeit gilt nichts als sicher – außer der Erkenntnis, dass alles unsicher ist. In Buddenbrooks wie auch in anderen Romanen des späten 19. Jahrhunderts führt diese Gewissheit dazu, dass sich die herrschenden Klassen vor der entropischen Demokratisierung von Politik, Gesellschaft und Ökonomie zu fürchten beginnen. Etablierte Sitten und Normen, Gender und Klassenhierarchien werden gewaltsam zementiert, um die alte Macht einiger weniger auch gegen den allgemeinen Unordnungstrieb zu bewahren. In dieser ungewöhnlichen Lesart des Klassikers von Thomas Mann lassen sich Spuren für ein Denken auffinden, das uns auch heute leiten kann: Unser gesamtes Wachstum gründet auf einer Unmenge an Energie, die der westlichen Welt durch die Ausbeutung von Arbeitskraft und natürlichen Ressourcen zugeführt wird. Selbst Thomas Mann ahnte bereits, dass unendliches Wachstum unter solchen Voraussetzungen schlicht unmöglich sein muss.
Buch
ISBN: 978-3-95757-933-1 9783957579331
Verlag: Matthes & Seitz Berlin
Veröffentlicht: 2020
Schlagworte: Thermodynamik, Klima, Wetter, Bürgerlichkeit, Landschaft, W.G. Sebald, Meteorologie, Helmholtz, Ostwald, Thomas Mann, Entropie