Kinogeschichte als Prisma des 20. Jahrhunderts: Der sprachgewaltig und eindringlich erzählte Roman einer Familie inmitten der turbulenten russischen Geschichte
Das nördliche Mangaseja ist ein von der Geschichte vergessenes Gebiet im Nordwesten Sibiriens. Das südliche hingegen ist ein fiktiver Ort, die sowjetisch-asiatische Variante des historischen Gebiets, Projektionsfläche für eine der ungewöhnlichsten Familiengeschichten der zeitgenössischen Literatur. Kior Janev durchschreitet darin im Gewand seines Protagonisten ein bunt schillerndes Kaleidoskop des 20. Jahrhunderts: In einer Art Proesie (Sascha Sokolov), einer auf dem schmalen Grat zwischen Poesie und Prosa balancierenden Sprache, erzählt er im Spiegel der Beschreibung von über hundert Filmen aus einem Jahrhundert Filmgeschichte, die seine Protagonisten gesehen haben, ein Jahrhundert russischer Geschichte, beginnend in den 1930er-Jahren. Im Mittelpunkt steht dabei ein Student, der sich in einer Welt ständig mutierender Figuren ohne feste Oberflächen bewegt, einer Welt, in der Iwan der Schreckliche auch mal in Lenins Kleidern auftritt und der Leser an die unterschiedlichsten Orte und entlegensten Enden einer ausgedachten Welt geführt wird: von einer Metro zu rätselhaften Seiltänzern in luftigen Sphären bis in den Siebten Himmel und ins Hirn eines gefallenen und zertrümmerten Engels.
Buch
ISBN: 978-3-7518-0072-3 9783751800723
Verlag: Matthes & Seitz Berlin
Veröffentlicht: 2024
Schlagworte: Filmkritik, Kino, Theater, Russische Literatur, Asien, Sowjetunion, Moskau, Postmoderne, experimentelle Literatur, Moderne Literatur