Der Dandy der französischen Revolution
Nicolas de Chamfort war der „witzigste aller Moralisten“ (Nietzsche), einer der bedeutendsten Impulsgeber der Französischen Revolution und neben Rousseau,Voltaire, Diderot, Talleyrand und Mirabeau wohl einer der größten Geister seiner Zeit. Sein Leben war ein Abenteuer, ein Leben voller Widersprüche und Brüche. Die mit Preisen ausgezeichnete Biographie Claude Arnauds läßt ihn und seine Zeit wieder lebendig werden. Chamfort, geboren 1740 in Clermont-Ferrand, war ein Mann der Widersprüche: Als unehelicher Sohn einer Adligen und eines Domherrn wuchs er in einem kleinbürgerlichen Milieu auf und machte aufgrund seiner Klugheit und ungewöhnlichen Schönheit eine schnelle und glänzende Karriere in der Pariser Gesellschaft. Er wurde zu einem begehrten Gast der dortigen Salons und ließ sich vom Hochadel des Ancien Régime protegieren. Er war stolz auf sein Ansehen und genoß seinen Erfolg bei den Frauen. Als jedoch infolge einer Syphilis-Erkrankung sein Körper sich zu entstellen begann, wurde er immer schwermütiger, sein Leben veränderte sich. Vom jungen Dandy entwickelte er sich zum leidenschaftlichen Advokat des Gefühls gegenüber dem kühlen Regime der Vernunft, unter dem man nicht leben, sondern nur überleben könne. Die sich ankündigende Französische Revolution begrüßte er leidenschaftlich und schenkte ihr die Losung „Krieg den Schlössern, Friede den Hütten“. Als der ihm verhasste Marat ermordet wurde, rief er aus: „König Marat ist tot!“ Das brachte ihm eine Verhaftung ein und als ihm zum zweiten Mal das Gefängnis drohte, fügte er sich so schwere Verletzungen zu, daß er wenig später daran starb. Chamfort, der als konventioneller Komödien-Schriftsteller zeitweilig großen Erfolg hatte – einmal bestellte ihn sogar Marie-Antoinette zu sich in ihre Loge –, begründete seinen Nachruhm mit einem Werk, das er zu Lebzeiten sorgfältig verbarg und das erst nach seinem Tod veröffentlicht wurde: „Maximen und Gedanken – Charaktere und Anekdoten“. Chamfort, so voller Widersprüche, ist doch mehr als die Summe derselben. Er wurde zum Kultautor für Nietzsche, Camus oder Cioran sowie „für all jene, die gern die Schattenseite der Gefühle und der Geschichte kennenlernen wollen.“ (Claude Arnaud) Chamforts Leben und Werk sind der intimen Kenntnis des menschlichen Herzens, Geistes und Charakters mit ihren hohen und niederen Zügen, Tugenden und Fehlern gewidmet. In Claude Arnaud findet Chamfort einen kongenialen Biographen, der für das vorliegende Buch unter anderem den Prix de l’essai de l’Académie Française erhielt. Er belegt mit neuem Material – darunter auch wiederentdeckte Originalmanuskripte –, wie der zwischen den Klassen und Zeiten stehende Chamfort das paradigmatische Schicksal eines Intellektuellen durchlebt und gestaltet hat. Arnauds Stil und Darstellungskunst ist es zu verdanken, daß zugleich auch zwei Epochen Frankreichs – das Ancien Régime und die Revolutionszeit – mit ihren zahlreichen Protagonisten vor den Augen der Leser lebendig und anschaulich wiedererstehen.