»Nicht auch noch Sie! Calais ist zu einem Zoo geworden, und ich bin eine Kassenfrau in diesem Zoo«, schreibt eine Bewohnerin von Calais an Emmanuel Carrère, als er im Frühjahr 2016 in der nordfranzösischen Stadt eintrifft, um eine Reportage zu schreiben. Früher berühmt für die Herstellung von Webspitze, ist Calais heute für seinen ›Dschungel‹ berüchtigt, das mittlerweile geräumte, größte Flüchtlingscamp Europas, Sinnbild für das Versagen von Politik, für empathielos zur Schau gestelltes Mitleid, für ein Europa im Zangengriff seiner eigenen Werte und Interessen, aber auch für das Ankämpfen gegen all das. Nein, Carrère schreibt nicht über den ›Dschungel‹, sondern antwortet mit einer politischen Reportage in Briefform, in der er die Einwohner von Calais, ihre Verelendung, Arbeitslosigkeit und Fremdenfeindlichkeit, aber auch ihren Idealismus und ihre hochgehaltenen Hoffnungen zu verstehen versucht. Er trifft Menschen aus allen Schichten und mit verschiedensten politischen Ansichten und zeichnet ein überraschendes Bild einer französischen Gesellschaft, der die Arbeit ausgegangen ist.
Buch
ISBN: 978-3-95757-448-0 9783957574480
Verlag: Matthes & Seitz Berlin
Veröffentlicht: 2017
Reihe: punctum Bd. 002
Originaltitel: Lettre à une Calaisienne (Französisch)
Schlagworte: Politik, Frankreich, Flucht, Lager
»Carrère ist auch Regisseur; sein Sinn für Spannungsaufbau und Schlusseffekt verlässt ihn beim Schreiben nicht. Das Buch läse sich daher wie von selbst, müsste man es nicht hin und wieder aus der Hand legen, um noch einmal nachzudenken.«
– Gero von Randow, DIE ZEIT
»Carrère ist eine großartige Reportage gelungen: großartig in ihrer Offenheit, ihrer Empathie, ihrer Beobachtungsschärfe.«
– Andreas Wirtensohn, Wiener Zeitung