Wie das Zusammenleben in einer geteilten Welt gestalten, ohne zuvor nach der enteigneten zu fragen?
Das Rhinozeros ist gewiss ein merkwürdiges Mitglied der Weltgemeinschaft des Lebendigen: dickhäutig und widerständig, wohlgenährt und standsicher könnte es zuversichtlich in die Zukunft blicken. Aber das ist es nun gerade: Seine Sicht ist extrem eingeschränkt. Daher seine Reizbarkeit. Das Nashorn ist ein Emblem Europas. Seit der Antike war es mit imperialer Macht verbunden: als Wappentier, kostbares Geschenk unter Potentaten und Zentrum von Schaulust. Doch Horn und Panzerung, Relikte eines Urviechs, sind ein schweres Erbe. Sie verleihen keine Gewissheit mehr. Als Scheinriese sucht das Rhinozeros seinen Platz in der Gegenwart. Es wird Gewicht abgeben und sich neu im Zusammenleben bewähren müssen. Sein sensibles Ohr nah an den Zeitläuften zu haben, darauf kommt es an. Denn auf dem allzeit brüchigen Boden der Geschichte stellt sich die Frage: Unter welchen Bedingungen kann ein halbblinder Mehrtonner den Übergang wagen?
Mit Beiträgen von Maike Albath, Bruce Albert und Davi Kopenawa Yanomami, Gabriela Cabezón Cámara, Kossi Efoui, Arno Frank, Werner Gasser, Friederike Groß, Tammy Lai-Ming Ho, Hamedine Kane, Marcel Lepper, Dimitris Michalakis, Makenzy Orcel, Cord Riechelmann, Paolo Risser, Gisèle Sapiro, Spyros Staveris, Camille de Toledo und Joseph Vogl.
»Rhinozeros gibt dem komplexen Gedanken Raum und Zeit. Unverzichtbar in diesen politisch wie ökologisch dramatischen Zeiten.«
– Tilla Fuchs, Saarländischer Rundfunk