Der Monolog des Adramelech
Buch

Der Monolog des Adramelech

70 Seiten, Klappenbroschur
Übersetzung: Leopold von Verschuer
Preis: 10,00 €
Es ist ein Vielmensch, der in diesem wüsten Monolog des Adramelech (in der christlichen Dämonologie der Garderobier Satans, Kanzler der höllischen Regionen und Vorsitzender des hohen Rats der Teufel, der sich für einen erneuten Krieg gegen den Himmel einsetzt) in mehrstimmigen labyrinthischen Selbstdialogen den anarchischen Boden der Sprache durchpflügt, zugleich Fürst und Simplizissimus des Jetzt. Im autobiografischen Wüten verwirklicht sich ein ›taktiles Denken‹ von ungeheurer Farbigkeit, ›Art brut‹ von größter Vitalität, unvorhersehbar in jeder Zeile.

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Gespräch mit Leopold von Verschuer über Valère Novarinas Monolog des Adramelech


Du hast den "Monolog des Adramelech" aus dem Französischen übersetzt. Auf welche Schwierigkeiten bist Du dabei gestoßen?

LvV: Den "Monolog des Adramelech" zu übersetzen war etwas wie ein alchimistischer Vorgang, der mich in die Tiefen meiner eigenen Sprache hinabsteigen ließ. Ihre Ingredienzien lagen plötzlich aufgefaltet vor mir und mussten, den Verfahren des Autors folgend, neu zusammengesetzt werden. In der Fülle der Wörter, die mir da aus dem Französischen entgegensprangen, galt es zunächst herausfinden, welche davon Neuschöpfungen von Valère Novarina waren und welche mir schlichtweg unbekannt. Viele dieser erfundenen Wörter erzeugen aber ein Echo auf Bekanntes, Vertrautes, bereits Gehörtes, es gibt meist einen Wortstamm, aus dem dieses Wort neu gebildet wurde. Dieser Vorgang nun war in unserer Sprache nach- und neu zu vollziehen. Die größte Aufgabe jedoch bestand darin, den unglaublichen Fluss dieser Sätze, den vitalen Rhythmus dieser Sprache auch im Deutschen wieder zu erschaffen. Das Französische verfügt über eine solche Fülle homophoner Wörter (ähnlich klingend, aber von verschiedener Bedeutung), als sei diese Sprache durchflochten von Binnenechos, die in jeder Silbenreihe mehrere Worte anklingen lassen, dass es in dem vitalen Gebrauch, dem Valère Novarina es unterzieht, zu einer machtvollen Orgel wird.

Auch dieser Monolog ist, wie schon "Der rote Ursprung" auf der Textebene sehr kryptisch, um nicht zu sagen unverständlich, wenn man versucht, herkömmlich Lese- und Sehgewohnheit anzuwenden. Welche Anforderungen ergeben sich daraus für Dich als Schauspieler, der mit der Materie schon aus der Übersetzung vertraut ist?

LvV: Der Umgang mit Texten von Valère Novarina, sei es "Die eingebildete Operette", "Der rote Ursprung" oder der "Monolog des Adramelech", bedeutet immer ein Verlassen der gewohnten Wege des Verstehens. Hier gibt es keine Handlung zu verfolgen, keine Erzählung nachzuvollziehen. Alles beginnt hier im Hören. Dann stösst man unablässig auf Bekanntes, bereits Vernommenes, Aufgeschnapptes oder von Kind an Vertrautes, nur in lustvoll neuer Zusammensetzung. So wie ein Kind intuitiv in einer Geschichte ihm noch unverständliche Worte erahnt, sich von ihnen berühren lässt - und wie richtig ist es, dass das Begreifen ja die Berührung enthält - so geschieht hier Satz für Satz ein Hineinhören in die Echos, die wirklich jeder dieser Sätze auslöst. "Wir sind am Zerschmetterling zerstoben" - Schmetterling und zerstieben, zerschmettern und sterben - Gegensätze verbinden sich und ein poetisches Drittes entsteht. Eine vital überwältigende Komik entfaltet sich da vor uns. "Ich schreibe durch die Ohren" begann Valère Novarina seinen berühmten "Brief an die Schauspieler". Man versteht ihn auch nur durch die Ohren! *

Was ist Deine Lust an der Arbeit mit Texten von Novarina?

LvV: In der Uraufführung von "Acte inconnu" (Der unbekannte Akt) auf der vierzig Meter riesigen Innenhofbühne des Papstpalastes von Avignon hörte ich 3000 Zuschauer vom Gelächter erfasst werden. Natürlich ist es ein Geschenk, die Wirkung dieser Texte im französischen Original am eigenen Schauspielerleib erlebt zu haben, sie dann mit dieser Erfahrung im Leibe zu übersetzen, um nun dieses Erlebnis gleichsam im deutschsprachigen Spiegelraum aufs neue zu vollziehen. Als ich erstmals 1994 Novarinas Texten begegnete, hatte ich den Eindruck, zur Wurzel meiner allerersten Attraktion durch das Theater zurückzukehren: Sprache nicht nur als Informationstransportmittel erleben zu müssen, sondern wieder als ein physisches Erlebnis, so physisch wie der Tanz, ein Nurejew der Worte werden zu dürfen.

Welche Zuhörhaltung und Zuschauhaltung kannst Du dem Publikum empfehlen?

LvV: Schauen und hinhören. (Niemand wird sich langweilen, der sich in einem Lande, dessen Sprache er nicht beherrscht, auf einer Caféterrasse neugierig niederlässt.) Getrost jeden roten Faden ergreifen, den man zu erkennen glaubt. Und ihn ebenso bereitwillig wieder fallen lassen, wenn er sich wieder aufzulösen scheint. Dieses Spiel ist dicht durchwirkt von einer Vielzahl vielfarbiger Fäden. Sich dem Moment hingeben. Getrost lachen, wo etwas zum Lachen ist. Den eigenen Echos trauen. In dieser Untergrundbahn erklingen viele Stimmen aus vielen Welten, heiligen und profanen, da sitzen nebeneinander König und Homunkulus, Politiker und Hündchen, Prophet und Postbote, wird geflucht und gefeiert, erzählt und erfunden. Auf der Bühne steht ein Vielmensch. Lust darauf haben, das Unerhörte dieser Welt zu hören.




* Valère Novarina: "Die eingebildete Operette", Alexander Verlag Berlin 2001, Deutschsprachige Erstaufführung, Theater Rampe, Stuttgart 2001 und Donaufestival/Österreich 2002; "Der rote Ursprung" in: Scène 6, Verlag der Autoren, Frankfurt a. M., 2003, DSE, Theater am Neumarkt, Zürich, 2007; "Der Monolog des Adramelech", Verlag Matthes & Seitz Berlin 2014, DSE, Theaterdiscounter Berlin und Theater Winkelwiese Zürich 2014; "Brief an die Schauspieler - Für Louis de Funès", Alexander Verlag Berlin, 1998 u. 2007 - alle: Übersetzung aus dem Französischen und Regie: L.v.Verschuer

Gespräch mit Leopold von Verschuer
im Vorfeld des Gastspiels im Rahmen der Tagung "Das Unsagbare sagen - Mystische Tendenzen in Literatur und Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts" des Theologischen Instituts und des Seminars für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Zürich 2014. Die Fragen stellte Stephan Roppel, künstlerischer Leiter des Theaters an der Winkelwiese, Zürich.

Buch
ISBN: 978-3-88221-400-0
Verlag: Matthes & Seitz Berlin
Veröffentlicht: 2014
Originaltitel: Le Monologue d'Adramalech (Französisch)
Schlagworte: Philosophie, Fröhliche Wissenschaft, Taktik
Valère Novarina hat für sein Stück "Der Monolog des Adramelech" in der Übersetzung von Leopold von Verschuer den Autorenpreis 2014 beim Festival "Primeurs" für neue Französische Dramatik in Saarbrücken.

»Der Übersetzer, Schauspieler und Regisseur Leopold von Verschuer stellt "Monolog des Adramelech" von Valère Novarina in deutscher Sprache vor-eine Hommage an den in seiner virtuosen Sprachgestaltung einzigartigen französischen Autor.«
Primeurs - Festival frankophoner Gegenwartsdramatik